Samstag, 4. Februar 2017

ein meter




ein schriftsteller also, die papiere rascheln
er holt ein bier aus einer schublade
die schublade ist gelb
das bier tropft
er fängt es mit seinen trockenen tüchern auf

schrecklich der gedanke (er juckt)das all das umsonst sein könnte
er greift nach der flasche bier
plötzlich tropft sie nicht mehr
plötzlich braucht er das tuch nicht mehr
plötzlich steht ihm das tuch im weg
er wirft es weit von sich
er lächelt dazu
er trinkt aus der flasche
er trinkt bier aus der flasche
er denkt
das ist gut
das färbt die starre

die starre wird buchstäblich aufgefressen
sie die immer für ihn gesungen
singt nun
in der zeitung mit falschen papieren
für einen von denen sie sagten
er wäre ein genie der unruhe

er zögert nicht zu zittern
das ist gut
er trinkt etwas bier
das hält ihn in sich
da rutscht er nicht zur seite
er füllt sich ab
das ist gut
er zögert nicht das zittern zu beenden
die starre wird unerträglich
er möchte zum fenster gewunken werden
niemand da
nur ein eilzug der zum stehen gebracht wurde

ein schimmer von licht
das ist gut
er füllt die nacht
er rutscht
die starre hat aufgehört
wie jämmerlich das alles ist
es beginnt
es beginnt von vorn
er sucht
er trinkt
seine augen sehen nur noch das verschwundene

Hölderlin

ein oder zwei regenschirme
fallen vom himmel

jemand der es sieht
will es vergessen

will es besser vergessen
er sagt sich

es ist nur eine idee und
mir bleibt die spucke weg

und nimmt sich vor auf die strasse zu sehen
und er versucht nicht das zu sehen was sonst niemand sieht

er kann die regenschirme gut erkennen
er will sie nicht erkennen
er will sie anzweifeln

er sieht lieber in die zukunft
irgendwo dort werden seine erinnerungen begraben sein

irgendwo werden sie liegen
die zwei vom himmel gefallenen regenschirme

sie sehen unentschlossen aus denkt er
er will das nicht denken
aber er denkt es

er denkt
sie sehen unentschlossen aus
in ihrer glückseligkeit

Lina und August


die zimmertür schläft
die treppenstufen knirschen
sie suchen das weite
aber da sie es nicht finden
bleiben ihre schritte einfach stehen

im backofen die alten erinnerungen
an gebackene kuchen
schlüssel die klirrten
dachböden die hin und herrutschten

die alten gepflegten irrtümer
zu schön um wahr zu sein
lina und august
die beiden auf den stühlen
einst müssen sie die doch gekauft haben
wann war das und haben die schon immer
so geknirscht und was wenn sie nicht
knirschen fragte august den stuhlverkäufer
der auch nicht wusste
was dann geschah

was machen wir lina
was machen wir nur

aus dem fenster gesehen
direkt aufs stadion
manchmal spielten sie dort nur für sie

manchmal gaben sie das spiel
zu schnell auf

jetzt da sie als grabsteine
in die augen der lebenden
stechen
ohne dass es weh tut
vergessen sie diese sicht
vergessen
die letzten verlorenen spiele
suchen nichts
finden bisweilen schritte
die bleiben vor ihnen stehen
erinnern sich

erinnerst du dich
an den geburtstagen
die gute kleidung
unsere augen auf die strasse
meine mutter die mich anflehte
kein schlagerlied bitte

der geruch von kuchen
selbstgebackenen
das lächeln linas
seltsam wie schnell so etwas verschwinden kann
dachte august an irgendeinem tag im jahre
1977
er wusste dass er ihr bald wieder nah sein wird
er lächelte
er hatte das gefühl
er lächelte wie sie und wie sie dachte er
dreh dich noch einmal um
tu noch einmal so
als wäre alles erst angekommen und erst
morgen dann der abschied

sie kam in einem roten koffer durch
die bahnhofshalle
sie sah alles wie eine fremde an
sie setzte sich in ein cafe dass in der nähe war

ein buckliger ober fragte sie
nach ihrer sicht der dinge
wir sind fremd hier
wir beide
sie meinte sich und ihre antwort

august dachte während er in
den alten zeitungen blätterte
ob sie ihn wohl erkennt
sie muss ihn doch erkennen

die gräber sind alt
keiner der noch an sie denkt
denkt daran
wie alt sie sind

der ober brachte ihr den kaffee
setzte sich zu ihr und
sagte
und das alles ist längst vergangen
wissen sie noch
ich hatte das gefühl dass sich alles genau so in meinem kopf abspielt
ich schrieb heimlich geschichten
ich tröstete mich damit
als ich die letzten stühle vergrub und dass gemäuer hier abgerissen
wurde
dachte ich schon nicht mehr daran und als ich glaubte
hinter allem versteckten liege irgendein intaktes geheimnis
fiel ich auch darauf rein und zwar gerne

wie gerne august ihm gesagt hätte
gib doch ruh
es sind doch wir
wir sind doch alle gleich
nur die erinnerungen schauen uns an und manche
von ihnen lachen uns aus
weil wir immer glaubten
gerade die hätten gewicht

wie fing das alles an fragte lina
den august
der bucklige ober war wieder hinter
seiner letzten nacht verschwunden
vielleicht dass er gerne noch etwas getanzt
oder klavier gespielt hätte
am ende hätte er mit den mäusen gepfiffen
die beruhigt durch die nacht zogen
aber sie
die lina,
die uns immer anlächelte
egal ob von einem foto oder real
obwohl sich das reale vermischte und
man nicht mehr genau wusste
was man eigentlich damit meinte,
blieb sprachlos
die erinnerung aber sah sie an
sah sie an und hob ihren blick in die luft

so viele hatte es gegeben
so viele schauen uns an
blicken durch die wände
durch uns hindurch

durch das immerwiederkehrende dunkel
durch den schatten
der nie aus der spur kommt
etwas fängt an
etwas hört auf
dazwischen flüstert es
hörst du
sie haben ihre namen gekannt und sie
halten sie fest
solange es erinnerungen sind
die mit ihnen schweigen

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