Lina und August
die zimmertür schläft
die treppenstufen knirschen
sie suchen das weite
aber da sie es nicht finden
bleiben ihre schritte einfach stehen
im backofen die alten erinnerungen
an gebackene kuchen
schlüssel die klirrten
dachböden die hin und herrutschten
die alten gepflegten irrtümer
zu schön um wahr zu sein
lina und august
die beiden auf den stühlen
einst müssen sie die doch gekauft haben
wann war das und haben die schon immer
so geknirscht und was wenn sie nicht
knirschen fragte august den stuhlverkäufer
der auch nicht wusste
was dann geschah
was machen wir lina
was machen wir nur
aus dem fenster gesehen
direkt aufs stadion
manchmal spielten sie dort nur für sie
manchmal gaben sie das spiel
zu schnell auf
jetzt da sie als grabsteine
in die augen der lebenden
stechen
ohne dass es weh tut
vergessen sie diese sicht
vergessen
die letzten verlorenen spiele
suchen nichts
finden bisweilen schritte
die bleiben vor ihnen stehen
erinnern sich
erinnerst du dich
an den geburtstagen
die gute kleidung
unsere augen auf die strasse
meine mutter die mich anflehte
kein schlagerlied bitte
der geruch von kuchen
selbstgebackenen
das lächeln linas
seltsam wie schnell so etwas verschwinden kann
dachte august an irgendeinem tag im jahre
1977
er wusste dass er ihr bald wieder nah sein wird
er lächelte
er hatte das gefühl
er lächelte wie sie und wie sie dachte er
dreh dich noch einmal um
tu noch einmal so
als wäre alles erst angekommen und erst
morgen dann der abschied
sie kam in einem roten koffer durch
die bahnhofshalle
sie sah alles wie eine fremde an
sie setzte sich in ein cafe dass in der nähe war
ein buckliger ober fragte sie
nach ihrer sicht der dinge
wir sind fremd hier
wir beide
sie meinte sich und ihre antwort
august dachte während er in
den alten zeitungen blätterte
ob sie ihn wohl erkennt
sie muss ihn doch erkennen
die gräber sind alt
keiner der noch an sie denkt
denkt daran
wie alt sie sind
der ober brachte ihr den kaffee
setzte sich zu ihr und
sagte
und das alles ist längst vergangen
wissen sie noch
ich hatte das gefühl dass sich alles genau so in meinem kopf abspielt
ich schrieb heimlich geschichten
ich tröstete mich damit
als ich die letzten stühle vergrub und dass gemäuer hier abgerissen
wurde
dachte ich schon nicht mehr daran und als ich glaubte
hinter allem versteckten liege irgendein intaktes geheimnis
fiel ich auch darauf rein und zwar gerne
wie gerne august ihm gesagt hätte
gib doch ruh
es sind doch wir
wir sind doch alle gleich
nur die erinnerungen schauen uns an und manche
von ihnen lachen uns aus
weil wir immer glaubten
gerade die hätten gewicht
wie fing das alles an fragte lina
den august
der bucklige ober war wieder hinter
seiner letzten nacht verschwunden
vielleicht dass er gerne noch etwas getanzt
oder klavier gespielt hätte
am ende hätte er mit den mäusen gepfiffen
die beruhigt durch die nacht zogen
aber sie
die lina,
die uns immer anlächelte
egal ob von einem foto oder real
obwohl sich das reale vermischte und
man nicht mehr genau wusste
was man eigentlich damit meinte,
blieb sprachlos
die erinnerung aber sah sie an
sah sie an und hob ihren blick in die luft
so viele hatte es gegeben
so viele schauen uns an
blicken durch die wände
durch uns hindurch
durch das immerwiederkehrende dunkel
durch den schatten
der nie aus der spur kommt
etwas fängt an
etwas hört auf
dazwischen flüstert es
hörst du
sie haben ihre namen gekannt und sie
halten sie fest
solange es erinnerungen sind
die mit ihnen schweigen
Sturznest - 4. Feb, 11:42